Neues Warnsystem soll Wale besser vor Schiffen schützen

Ein neues Projekt soll die Zahl der Kollisionen zwischen Schiffen und Walen reduzieren. Walsichtungen werden dabei gesammelt und an die Besatzungen der Schiffe im entsprechenden Gebiet weitergegeben.

Der Fotograf Matt McDonald hatte schon viele Jahre am Puget Sound gelebt, als er zum ersten Mal einen Wal sah. Doch die Freude währte nicht lange. Während er das Tier mit dem Sucher seiner Kamera verfolgte, tauchte plötzlich eine Fähre im Bild auf. Am nächsten Morgen hörte er in den Nachrichten, dass der Buckelwal bei dem Zusammenstoss, den er zufällig gesehen hatte, ums Leben gekommen war.

«Ich erinnere mich noch immer an diesen Moment», sagt McDonald über das Unglück vor der Küste in Seattle an einem Abend im Jahr 2019. «Ich wünschte, ich hätte irgendetwas tun können.» Heute, fünf Jahre später, gibt es eine einfache Möglichkeit, tatsächlich etwas zum Schutz der Wale beizutragen. Die US-Küstenwache hat ein Pilotprojekt gestartet, bei dem Sichtungen gesammelt und dann die Besatzungen der Schiffe in den betroffenen Gebieten gewarnt werden.

Wer vom Ufer aus einen Wal erblickt, kann dies über Apps direkt dem Puget Sound Vessel Traffic Service melden, der von der Küstenwache betrieben wird. Seeleute an Bord von Schiffen können auch per Funk oder per Telefon Hinweise liefern.

Ziel des Projekts, das seit Dezember läuft, ist das Vermeiden von Kollisionen und zugleich die Reduzierung von Unterwasserlärm. Beides ist gerade jetzt besonders wichtig. Denn zu dieser Zeit des Jahres schwimmen besonders viele Buckelwale und Schwertwale vom offenen Pazifik in die zum Teil sehr engen Gewässer der Salish-See, zu der auch der Puget Sound gehört, hinein.

An der Salish-See, die im Süden zum US-Staat Washington und im Norden zur kanadischen Provinz Britisch Columbia gehört, liegen auch mehrere wichtige Seehäfen. Im vergangenen Jahr wurden diese von insgesamt fast 300’000 Schiffen angelaufen – von grossen Containerschiffen ebenso wie von Kreuzfahrtschiffen und Fähren. Kleinere private Boote sind in der Statistik der Küstenwache nicht mitgerechnet.

Ein toter Grauwal in Seattle. Er starb auf dem Weg nach Alaska.

Die neue «Wal-Abteilung» der Behörde greift auf Informationen sowohl von Seeleuten als auch von Menschen an Land zurück. Jeder, der in der Region zufällig einen Wal sieht, kann dies sofort melden. Darüber hinaus werden Daten von Schallmessgeräten ausgewertet. Das alles fliesst in ein integriertes System, das über eine Smartphone-App Warnhinweise verschicken kann.

«Unser Fokus liegt darauf, den Schiffsbetreibern dabei zu helfen, ein Bewusstsein für die Lage zu entwickeln», sagt die zuständige Abteilungsleiterin Margaret Woodbridge. So könnten diese dann vorsorglich langsamer fahren und vielleicht einen Bogen um ein Gebiet machen, in dem kürzlich ein Wal gesichtet wurde. In der Salish-See gebe es eine grosse Vielfalt an Walarten, aber eben auch sehr viel Schiffsverkehr. Die Küstenwache versuche, beides miteinander in Einklang zu bringen.

Wer vom Ufer aus einen Wal erblickt, kann dies über eine von zwei verfügbaren Apps direkt dem Puget Sound Vessel Traffic Service melden, der von der Küstenwache betrieben wird. Seeleute an Bord von Schiffen können auch per Funk oder per Telefon Hinweise liefern. Die Teilnahme an dem Projekt ist für Schiffsbesatzungen allerdings freiwillig. Im kanadischen Teil des Gewässers gibt es ein kompatibles System der dortigen Küstenwache.

Von den Southern Resident Killer Whales, auch Orcas der Salish-See genannt, gibt es laut Schätzungen nur noch 75.

Die Arbeit an dem Pilotprojekt begann bereits vor vielen Jahren, als regionale und nationale US-Behörden nach Möglichkeiten suchten, etwas gegen den Rückgang der örtlichen Wal-Populationen zu unternehmen. Von den Southern Resident Killer Whales, auch Orcas der Salish-See genannt, gibt es laut Schätzungen nur noch 75. Diese Schwertwale ernähren sich vor allem von Lachs und verlassen sich bei der Jagd auf Echoortung, die aber durch den Unterwasserlärm von Schiffen erheblich gestört wird.

Das neue Projekt sei ein bisschen wie ein Wendepunkt, sagt Kevin Bartoy, der beim Fährbetreiber Washington State Ferries seit etwa zehn Jahren für das Thema Nachhaltigkeit zuständig ist. Die Kollision mit dem Wal im Jahr 2019 sei für ihn schockierend gewesen. Zugleich sei ihm dadurch klar geworden, wie wichtig es wäre, ein weit verbreitetes Warnsystem zu haben.

Die Fährgesellschaft hatte sich laut Bartoy schon damals dem Programm Whale Report Alert System (WRAS) angeschlossen, das von der kanadischen Organisation Ocean Wise entwickelt wurde. Dieses System ist auch die Grundlage des neuen Projekts der Küstenwache. Am Tag der Kollision sei aber nur eine einzige Wal-Sichtung in der gesamten Region gemeldet worden, sagt Bartoy. Dank des integrierten Netzwerks gibt es nun sehr viel mehr Daten. Von Dezember 2022 bis Dezember 2023 stieg die Zahl der Hinweise nach Angaben der Küstenwache um 585 Prozent.

Trotzdem gibt es noch viel zu tun. Denn die Daten beruhen vor allem auf Sichtungen – und diese erfolgen vor allem bei Tag und bei gutem Wetter. Es gebe aber schon Studien dazu, inwieweit Wale durch Nutzung von Wärmebildkameras sowie durch das Einfangen von akustischen Signalen auch bei Nacht lokalisiert werden könnten, sagt Bartoy.

Die Gefahr, von einem Schiff erfasst zu werden, sei bei Bartenwalen und Buckelwalen nachts besonders gross, weil sie dann doppelt so viel Zeit nahe der Oberfläche verbringen.

Die Gefahr, von einem Schiff erfasst zu werden, sei bei Bartenwalen und Buckelwalen nachts besonders gross, weil sie dann doppelt so viel Zeit nahe der Oberfläche verbringen, sagt John Calambokidis, Biologe der Forschungsgruppe Cascadia Research Collective. Sinnvoll wäre aus Sicht des Experten auch, in einigen Gebieten, in denen sich Wale besonders oft aufhalten, den generellen Verlauf von Schiffsrouten anzupassen.

Im vergangenen Jahr, als sich ein junger Buckelwal einige Tage in der Nähe von Seattle aufgehalten habe, sei deutlich geworden, was möglich sei, wenn Schiffsbetreiber mitmachten, sagt Jeff Hogan, ein ehemaliger Mitarbeiter des Soundwatch Boater Education Program. Fähren und andere Schiffe hätten nach Sichtungen ihre Routen geändert, um dem Wal nicht in die Quere zu kommen. Dass die Küstenwache zuschaue, fördere das Verantwortungsbewusstsein, betont Hogan. «Wir wollen, dass diese Tiere hier sind. Wir müssen ihnen den Raum geben, den sie zum Leben brauchen.»